Bericht zum Bundesparteitag aus Limburger Sicht

Bei der SPD-Bundesdelegiertenkonferenz vom 10. bis zum 12. Dezember 2015 in Berlin wählten die über 600 Delegierten nicht nur den Parteivorstand, sondern diskutierten auch über zentrale Zukunftsthemen: So standen das Freihandelsabkommen TTIP, die Gestaltung und der Umgang mit den Menschen, die ihren Weg zu uns, vor Krieg, Gewalt und Vertreibung gefunden haben oder eine solidarische Europapolitik zur Debatte. Eine der Delegierten war Viktoria Spiegelberg-Kamens aus Limburg. Es war ihr erster Bundesparteitag. Christian Spiegelberg, ebenfalls aus Limburg, konnte als Nachrücker am 12. Dezember ebenfalls am Parteitag teilnehmen.

 

Nach sechstündiger Anreise traf die Familie Spiegelberg-Kamens in der Dunkelheit der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember in Berlin ein. Die hessische Delegation war im Herzen der Stadt, im Maritim Hotel, unweit des Potsdamer Platzes, untergebracht. Viel Zeit die Stadt zu erkunden, blieb am nächsten Tag nicht. Zwar startete der Parteitag erst um 11 Uhr, aber noch vor der Veranstaltung gab es Delegiertenvorbesprechungen der Arbeitsgemeinschaften.

 

Am Anfang wurde zunächst der Toten gedacht. Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder würdigte, in einer sehr persönlichen Rede, die in diesem Jahr verstorbenen „großen Sozialdemokraten“ Günter Grass, Egon Bahr und Helmut Schmidt. Es war die erste Rede, die Schröder seit 2007, auf einem Bundesparteitag hielt.

 

Am ersten Tag stand dann das Thema Außenpolitik, präsentiert von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, an. Die Delegierten votierten für einen Antrag, der das Primat der Politik vor militärischen Interventionen heraus stellte und das Eintreten der SPD für eine gerechte und friedvolle Weltordnung unterstrich. Steinmeier verteidigte auch das aktuelle Bundestagsmandat zur militärischen Intervention im Syrienkonflikt. Es folgte eine Aussprache zur tagespolitisch aktuellen Debatte, um den richtigen Umgang mit den Menschen, die derzeit vor Gewalt, Krieg und Terror zu hunderttausenden geflüchtet sind. Sichere Fluchtrouten, schnellerer Zugang zum Arbeitsmarkt, mehr bezahlbarer Wohnungsraum, sowie zusätzliches Geld für Kitas und Schulen waren Kernforderungen. Nach einer weiteren Diskussion über die Zukunft einer sozialdemokratischen Familienpolitik, endete der erste Tag mit dem Rechenschaftsbericht des Kassierers.

 

Auch Viktoria Spiegelberg-Kamens wollte sich an der Debatte um die Flüchtlingspolitik mit einem Redebeitrag beteiligen, die Debatte wurde aber nach zwei Stunden, bereits nach der Hälfte der Redner*innen, beendet. Thematisch hätte Spiegelberg-Kamens gern zum Thema Ehrenamt gesprochen: „Ehrenamt und Hauptamt müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, um eine Überforderung des Ehrenamts zu verhindern. Die Menschen sind bereit, viel zu leisten, können aber nicht in allen Bereichen das Hauptamt ersetzen.“ „Positiv war auch, dass ich viele meiner Genossen*innen, die ich im Rahmen der Kommunalakademie kennen gelernt habe, wieder gesehen habe“, so Spiegelberg-Kamens weiter. Überhaupt sei es spannend, viele der Menschen, die einem im Rahmen der politischen Arbeit bislang begegnet sind, aus ganz Deutschland, wieder getroffen zu haben. Auch zu den vielen bekannten hauptamtlich tätigen Politiker*innen konnte man hautnah Kontakt aufnehmen. Interessant waren die Hintergrundgespräche und die Gespräche mit der Parteiprominenz am Abend im informellen Rahmen. Beim Glas Bier konnte man mit Thorsten Schäfer-Gümbel den Parteitag revue passieren lassen und mit Yasmin Fahimi das Tanzbein schwingen.

 

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Ein weiterer interessanter Aspekt: Das Catering wurde fast komplett von Lobbyisten abgedeckt. Kaffee, Kuchen, Essen, Trinken, an jedem Stand der auf zwei Etagen verteilten Stände konnten sich die Delegierten bedienen. So unterschiedlich wie die Give-Aways waren die Anbieter: Großunternehmen wie VW, E.on oder die Deutsche Post, Banken wie die Sparkasse oder die Ing-Diba, waren ebenso vertreten wie Organisationen, die der SPD nahe stehen. Dazu gehörten u.a. die Falken oder die Friedrich-Ebert-Stiftung. Hinzu kamen die zahlreichen Zusammenschlüsse innerhalb der SPD. So waren etwa das Netzwerk Berlin, dessen Sprecher der hiesige Bundestagsabgeordnete Martin Rabanus ist, der Arbeitskreis der Muslime in der SPD oder die Jusos vor Ort. Zudem waren die zahlreichen nominierten Ehrenamtler für den Wilhelm-Dröscher-Preis mit Ständen präsent.

 

Der zweite Tag

 

Am zweiten Tag, der um 9 Uhr begann und erst um 22 Uhr endete, wurden nicht nur Anträge diskutiert, sondern auch der neue Parteivorstand gewählt. Im Zentrum des Tages stand die fast zweistündige Rede des Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Gabriel konnte in dieser Rede gut anschaulich machen, welche Bedeutung die SPD als Regierungspartei in einer krisenreicher Zeit spielt. Hätten sie der CDU/ CSU-Fraktion mit einem kleinen Juniorpartner die Flüchtlingpolitik, die Europapolitik und die Innere Sicherheit überlassen, sähe die Welt heute sicherlich anders aus. So ist die sozialdemokratische Handschrift in all diesen Fragen deutlich erkennbar. Ob Mindestlohn, Familienpolitik, die Wiedereinführung der doppelten Staatsbürgerschaft, Mietpreisbremse oder Rentenanpassung, viele sozialdemokratische Herzensangelegenheiten aus dem Wahlprogramm seien bereits in der Großen Koalition umgesetzt. Gabriel macht zudem deutlich, dass sich vor dem Hintergrund der zunehmenden rechten Tendenzen in den Nachbarländern, es vor allem eine ausgeglichene Sozialpolitik sei, die die Schwachen mitnehme, die in Deutschland ein deutliches Erstarken des rechten Randes verhindert habe. Er habe bei Bundeskanzlerin Angela Merkel höchst persönlich dafür werben müssen, Frankreich nicht zu sehr die Daumenschrauben bei der Sparpolitik anzulegen, um das weitere Erstarken des Front National zu verhindern. Man darf eben nicht an den falschen Stellen sparen.

 

Die komplette Rede Gabriels und die darauf folgende Aussprache wurde von Phönix aufgezeichnet: Johanna Uekermanns Beitrag ist ab 2:15:00 zu sehen, die Replik Gabriels ab 2:26:35.

 

Das Gabriel trotz der positiven Regierungsbilanz, nur gut drei Viertel der Delegierten ihre Stimme gaben, lag nach Einschätzung von Spiegelberg-Kamens, die auch stellvertretende Landesvorsitzende der hessischen Jusos ist, auch an der darauf folgenden Aussprache. Insbesondere die Kritik der Jusos an der Regierungspolitik schien Gabriel persönlich genommen zu haben. Die als „Abwatschen“ empfunde Antwort von Gabriel auf die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann wirkte belehrend. „Gerade diese jungen Leute sind es, die sehr nah an den Sorgen und Bedürfnissen der Bevölkerung dran sind. Sie durchleben eine Phase, die sehr stark geprägt ist durch Unsicherheiten und dem Schwanken zwischen Zukunftshoffnung und -ängsten. Sie stehen in den Wahlkämpfen an den Informationsständen, sind überall vor Ort und das nicht nur im Wahlkampf“. Statt diese Kritik als Stimme der jungen Generation ernst zu nehmen, zeigte Gabriel dahingegen Nerven. Ein souveränes Autreten sieht jedenfalls anders aus. Gabriels Rede, nachdem das Wahlergebnis fest stand, fiel dann wie eine Kampfansage an die 25 % aus. Der Nachtrag gab dann auch wenig Hoffnung, dass die Kritik, die seit der Abstimmung über die Große Koalition in breiten Teilen der Basis nicht verstimmt ist, verstanden wurde. Es bleibt das zweitschlechteste Wahlergebnis für einen Parteivorsitzenden der Nachkriegsgeschichte.

 

Foto: Jusos Hessen-Süd
Foto: Jusos Hessen-Süd

 

Mit 88 % erzielte Thorsten Schäfer-Gümbel nach Hannelore Kraft (91,4 %) und Manuela Schwesig (92,2 %) das drittbester Ergebnis der sechs Stellvertreter*innen. „Eine Enttäuschung war es für mich, dass Ansgar Dittmar, Vorsitzender der Schwusos, im zweiten Wahlgang seine Kandidatur zurück zog und somit nicht dem neuen Vorstand angehören wird“.

 

Neben den Vorstandswahlen wurde an diesem Tag um Inhalte gerungen. Es wurde ein Grundsatzprogramm für die digitale Gesellschaft verabschiedet und über die Zukunft der Arbeit diskutiert. Bei dieser Diskussion beteiligte sich Spiegelberg-Kamens aktiv mit einem Redebeitrag. Dort plädierte sie u.a. für die Durchsetzung guter Arbeitsbedingungen auch in den Herkunftsländern importierter Produkte.

 

Zum Abschluss des Tages wurde um Organisationsfragen gerungen. Der im Vorfeld in der Öffentlichkeit heiß diskutierte Antrag, der in den Parteigliederungen der SPD Doppelspitzen zugelassen hätte, wurde am späten Abend nur knapp diskutiert und bereits nach dem vierten Wortbeitrag durch einen Geschäftsordnungsantrag beendet und zur Abstimmung gegeben. Die Mehrheit der Delegierten sprach sich knapp gegen den Antrag aus.

 

Der dritte Tag

 

Am letzten Tag wurde es noch einmal International: Der TTIP knüpfte an die bestehende Antragslage an und markierte „Rote Linien“ für die aktuellen Verhandlungen. Es wurde fest gehalten, dass nach dem Vorliegen des ausverhandelten Vertrags ein erneuter Parteitag über die Annahme entscheiden soll.

 

Für die Diskussion über den Europantrag waren der Ministerpräsident aus Schweden Stefan Löfvén, Frankreichs Premierminister Manuel Valls, der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann, sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini geladen. Martin Schulz leitete diesen Teil ein und skizzierte ein Europa in einer tiefen Krise. Dass diese noch nicht auseinander geflogen sei, ist u.a. den Sozialdemokraten zu verdanken.“ Nichts werde uns teurer zu stehen kommen, als der Rückweg zu nationaler Kleinstaaterei. Große Sorge bereiten Schulz das Erstarken von Rechtspopulisten und Rechtsextremen in Europa.

 

Europäische Sozialdemokrat*innen auf dem Bundesparteitag

 

Zum Abschluss des Parteitages moderierte Heidemarie Wieczorek-Zeul die Verleihung des Wilhelm-Dröscher-Preises, der in diesem Jahr nach München ging. Der dritte Platz ging wohlverdient zu den Genoss*innen nach Frankfurt. Ein ereignisreicher Parteitag endet gegen 14 Uhr mit dem gemeinsamen Gesang der Parteihymne „Wann wir schreiten Seit' an Seit'“.

 

Ausführliche Berichte finden sich auf der Homepage des Bundes-SPD

 

Bildergalerie vom Parteitag:
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